1. Refluxiver Megaureter

Primär kongenitaler Reflux

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  • Abbildung 2:
    1. Refluxiver Megaureter links (Grad V)
    2. Refluxiver Megaureter (Grad V)

Der Reflux kann ein- oder doppelseitig auftreten. Er beruht auf einer Insuffizienz der ureterovesikalen Verbindung (Abbildung 2).

Refluxe finden sich in einem Verhältnis von 5 zu 1 häufiger bei Mädchen als Jungen.
Die Ursache des Refluxes ist ein abnormales, kurzes, submuköses Segment im ureterovesikalen Bereich bzw. ein Fehlen der longitudinalen Fasern im intramuralen Segment, einem "Golfloch"-Ostium bzw. Ureterfehlinsertion z.B. in ein paraureterales Divertikel (s. Kasuistiken) Literatur:Bostwick, D. G.: "Urologic Surgical Pathology", Mosby St. Louis, 1997.

Sekundärer Reflux

  • Abbildung 3:
  • Männliche Todgeburt mit Megaureteren und Hydronephrosen (parenchymale Atrophie) beiderseits infolge von hinteren Harnröhrenklappen (Aus dem pathologischen Institut Hannover, Obduzent Bichler 1964)

Infolge von Harnröhrenklappen (s. Harnröhre/Harnröhrenklappen) : Diese Fehlbildung tritt nur bei Jungen auf und kann zu refluxivem Megaureter bzw. zu schwersten Veränderungen der ableitenden Harnwege, der Nieren und pränatal zu einem Oligohydramnion führen (s. Niere/Anzahl/Nierenagenesie). Die Abbildung zeigt das Organpräparat eines tot geborenen Jungen mit hinteren Urethralklappen (Obduzent Bichler, 1964) (Abbildung 3).

Harnröhrenklappen sind im unteren Harntrakt die häufigsten Ursachen für die Harnleitererweiterungen bei Jungen. Die "Klappenkrankheit" (Valve-Syndrom) weist ein Spektrum von schweren (Megaureter, Hydronephrosen und Niereninsuffizienz) bis zu leichteren Formen auf (s. Abbildung 9). Sigel beschreibt drei Varianten und zwar nicht-refluxiver bilateral-symmetrische Vesikoureteronephropathie, refluxive z.T. dysplastische Nephropathie und letztlich Kombinationen aus beidem Literatur:Sigel, A., Ringert, R.-H.: "Kinderurologie", 2. Auflage, Springer Berlin, 2001.
Wenn auch die Prognose in den letzten Jahren dank der pränatalen Sonographie besser geworden ist, so geraten noch immer bis zu 30% der Klappenträger in eine renale Insuffizienz Literatur:Pereira, P. L., et al: "Posterior urethral valves: prognostic factors", BJU international, 91, 687-690, 2003.

Kasuistik

  • Abbildung 4:
  • Sekundärer Reflux mit Megaureteren und Hydronephrosen beidseits bei neurogener Harnblasenentleerungsstörung infolge von Meningomyelozele

Das nachfolgende Beispiel zeigt den ungünstigen Krankheitsverlauf eines Klappenträgers. 16-jähriger Jugendlicher bei dem im Alter von 5 Jahren posteriore Urethralklappen (PUV) resiziert sowie Harnleiterneueinpflanzungen mit Modellage wegen sekundärem Megaureter beiderseits durchgeführt wurden. Drei Jahre später Antirefluxplastik links. Bei der jetzt erfolgten Vorstellung in unserer Klinik fand sich eine Niereninsuffizienz mit einem Serum-Kreatinin von 4,5 mg/dL. Zur Sicherung der Harnableitung wurden Ureterschienen beiderseits eingelegt. Bei weiter ansteigendem Kreatinin wurde die Dialyse bzw. Nierentransplantation eingeleitet.

Prognostische Bedeutung für die Klappenkrankheit kommt der Blasenfunktion zu. So weist Glassberg auf den Einfluss der Harnblasenfunktion für das Schicksal der Nierenfunktion bei posterioren Harnröhrenklappen hin: Bei ca. 45% der Jungen mit Harnblasendysfunktion entwickelt sich eine Niereninsuffizienz. Dagegen bei nur 5% mit normaler Funktion Literatur:Glassberg, K. I.: "Posterior urethral valves: lessons learned over time", Current Opp. In Urol., 13, 325-327, 2003.
Dem frühzeitigen Erkennen der Harnröhrenfehlbildung kommt daher große Bedeutung zu.

Nach Sicherung der Diagnose Urethralklappen ist postnatal unverzüglich eine endoskopische Schlitzung erforderlich Literatur:Sigel, A., Ringert, R.-H.: "Kinderurologie", 2. Auflage, Springer Berlin, 2001.

Ursachen sekundärer refluxiver Megaureteren können fernerhin neurogene Harnblasenentleerungsstörungen sein (z.B. Meningomyelozele - Abbildung 4) (s. Harnblasenfunktionsstörungen/Meningomyelozele).