Pathogenese
Bei manchen Kindern mit Wilmstumor finden sich chromosomale Abnormitäten und zwar in ca. 30%. Veränderungen am kurzen Arm des Chromosom 11 (11p). Die Mehrzahl Kinder mit Wilmstumoren hat einen normalen Kariotyp.
- Im Einzelnen sind im Zusammenhang mit dem Wilmstumor folgende chromosomale Abnormitäten bekannt:
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- 11p13 (WT1-Gen)
- 11p15,5 (WT2-Gen)
- 16q13
Bezeichnung der ChromosomenBezeichnung der ChromosomenDie Bezeichnung der Veränderung eines bestimmten Chromosoms, z.B. 11, umfasst Arm: p oder q (p = petit - kurzer Arm, q = nächster Buchstabe im Alphabet - langer Arm), Region, Band und Subband.
Z.B. 11p 15,5: 11 (Chromosom), p (kurzer Arm), 1 (Region), 5 (Band), 5 (Subband)
Allel = Die Kopien eines Gens oder einer DNA-Sequenz am selben Lokus homologer Chromosomen
Heterozygotie = Die beiden Allele eines Genlokus homologer Chromosomen weißen Unterschiede auf.
DeletionenDeletionenVerlust eines DNA- bzw. Chromosomenabschnitts. bzw.
MutationenMutationenbleibende Veränderung des genetischen Materials, Qualitative oder quantitative Änderung der Struktur (Punkt-Chromosom-Missens-Nonsens-Frameshift-Mutation) an verschiedenen Loci sind ursächlich für die Abnormalitäten
Literatur:Chintagumpala, M. M.: "Genetics and molecular biology of Wilms' tumor", Curr Opin Urol, 6, 327-330, 1996.
- Das Risiko eines Wilmstumors nimmt in Verbindung mit drei Gruppen von kongenitalen Missbildungen (Syndromen) zu. Dabei handelt es sich um das:
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WAGR-Syndrom (Chromosom-11p-Syndrom)WAGR-Syndrom (Chromosom-11p-Syndrom)Es umfasst in 33% Wilmstumoren, Aniridie, Geschlechts- und Harnwegsanomalien (Gonadoblastom) sowie mentale Retardierung.
Die Patienten haben ein autosomal dominantes Gen für Aniridie in p13 auf Chromosom 11. Auf p13 befindet sich auch das Wilmstumorgen WT1. Deletionen in dem Chromosommaterial von 11p13 finden sich bei Kindern mit WAGR-Syndrom. Die Entwicklung des Wilmstumor korelliert mit Mutationen des zweiten WT1-Allel.
Denys-Drash-SyndromDenys-Drash-SyndromDas Syndrom ist gekennzeichnet männlichen Pseudohermaphroditismus und Nephropatie. Eine Mehrheit dieser Patienten entwickelt einen Wilmstumor. Auch hier liegt die Störung im Chromosom 11p13. Es handelt sich um eine Mutation im WT1-Gen, die die DNA-Bindungsfähig beeinflusst. Klinisch besteht abhängig von der Deletion bzw. Mutation am 11p13 eine gewisse Überschneidung zwischen den beiden Syndromen.
Beckwith-Wiedemann-SyndromBeckwith-Wiedemann-SyndromHier liegt eine Vergrößerung verschiedener Körperorgane (viszerale Organomegalie) bzw. Hypertrophie sowie Nierenzysten und Nebennierenveränderungen mit abnorm großen Zellen (Zytomegalie) vor. Ursächlich ist eine Störung im 11p15,5-Chromosom. Die entsprechende Region (Band bzw. Subband) ist distal des WT1-Lokus gelegen. Die Funktion des WT2-Gens ist nicht bekannt.
Darüber hinaus werden Fälle von Wilmstumoren beschrieben, bei denen weder Deletionen noch Mutationen des WT1- oder WT2-Gens vorliegen, sodass ein weiteres Wilmstumorgen zu vermuten ist (WT3?).
Der Verlust der Heterozygotie auf dem 16p13-Lokus, den man in Gewebeproben von Wilmstumoren festgestellt hat, unterstützt die Ansicht, dass es ein WT3-Gen gibt [McMahon in Witfield].
Das Auftreten von Neurofibromatose zusammen mit Wilmstumoren wird berichtet, konnte aber von der nationalen Wilmstumorstudie nicht bestätigt werden.

McMahon, D.R., Kramer, S.A.: "Paediatric Urological Oncology" in Whitfield, H.N. et al: "Textbook of Genitourinary Surgery", Second Ed., Blackwell Science Oxford, 1998
Die Syndrome weisen chromosomale Aberationen in zwei bestimmten Loci auf (11p13 und 11p15,5).