Nicht neurogene neurogene Blasenfunktionsstörung (Hinman-Syndrom)

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  • Abbildung 2:
  • Im Ausscheidungsurogramm Harnstauungsniere rechts, weitgestellte distale Harnleiter beiderseits, Restharn
  • Abbildung 3:
  • MCU: Trabekelblase

Definition

Diese zunächst irreführende Bezeichnung beschreibt ein von Hinman und Bauman 1973 vorgestelltes Krankheitsbild mit verschiedenen Harnblasenentleerungsstörungen (Inkontinenz, Restharn-Veränderungen der oberen Harnwege, rezidivierende HWI) Literatur:Hinman, F.: "Urinary Tract Damage in Children Who Wet", Pediatrics, 54, 142-150, 1974

Hinman, F., Baumann, F.W.: "Vesical and ureteral damage from voiding dysfunction in boys without neurologic or obstructive disease", J Urol, 109, 727-731, 1973
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Bei einer Gruppe von Kindern bzw. Jugendlichen, bei denen organische (MRT!) bzw. neurologische Ursachen nicht nachweisbar sind Literatur:Nijman, R. J. M.: "Neurogenic and non-neurogenic bladder dysfunction" Curr Opin Urol 11, 577-583, 2001. Urodynamisch finden sich allerdings Zeichen einer neurogenen Harnblase: eingschränktes Harnblasenvolumen und Compliance, Detrusorinstabilität bzw. Detrusor-Sphinkter-Dysfunktion, und Restharnbildung.

Pathogenese

Es ist anzunehmen, dass langanhaltende Detrusorüberaktivität im Zusammenhang mit Hyperaktivität des Beckenbodens zu einer Harnblasenhalshypertrophie führen und zu diesen Störungen der Harnblasenentleerung. In einzelnen Fällen kann es in Folge der Harnblasendysfunktion zu Veränderungen der oberen Harnwege bzw. der Nieren und einem VUR kommen (Abbildung 1) Literatur:Nijman, R. J. M.: "Neurogenic and non-neurogenic bladder dysfunction" Curr Opin Urol 11, 577-583, 2001

Breuer, J. et al: "Hinman-Syndrom", Monatsschr Kinderheilkd, 140, 162-165, 1992
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Kasuistik

Beispielhaft dazu das Krankheitsbild bei einem 8 Jahre alten Jungen mit Hinman-Syndrom.
Bei dem Jungen bestand eine Enuresis diurna, Restharn, und eine einseitige Harnstauungsniere rechts.
Die neurologische Untersuchung war ohne Befund. Im MRT kein Hinweis für morphologische Verändungen des Nervensystems insbesondere in Hinsicht auf eine MMC.
Die Familienanamnese ergab Anhalt für erhebliche häusliche Spannungsverhältnisse (Eltern in Scheidung).
Bei der urologischen Abklärung fand sich in der Sonographie und in der Ausscheidungsurographie eine Harnstauungsniere mit weitgestelltem NBKS rechts sowie weitgestellten Harnleitern beiderseits (Abbildung 2).
Urodynamisch ergab sich ein deutlich erhöhter Urethralverschlussdruck sowie eine low Compliance-Harnblase. Die maximale Flussrate war eingeschränkt und der Restharn betrug 110 ml.
Im MCU fand sich eine Trabekelblase (Abbildung 3), was sich auch in der Urethrozystoskopie bestätigte. Hier fand sich außerdem ein sekundär prominentem Sphinkter .
Aufgrund dieser Befunde ergab sich die Diagnose: nicht neurogene, neurogene Harnblasenfunktionsstörungen (Hinman Syndrom, pseudo-neurogene Harnblasenentleerungsstörung).
Zur Behandlung wurde zur Dämpfung des Spinktertonus Baclophen (Lioresal ®) eingesetzt. Dadurch kam es pharmakodynamisch zur Verringerung des Muskeltonus infolge Hemmung polysynaptischer Reflexe Literatur:Mutschler, E. et al: "Arzneimittelwirkungen", 8. Auflage, WVG mbH Stuttgart, 2001.
Fernerhin erfolgte Beckenbodengymnastik und zur Entspannung des Beckenbodens ein Biofeedbackverfahren. Außerdem wurde mit Hilfe des zur Entlastung des Restharns eingelegten suprapubischen Katheters ein Miktionstraining durchgeführt.

Prognose

Die Prognose ist im Langzeitverlauf als günstig anzusehen [Hinman]. Regelmäßige Kontrollen sind erforderlich um einer eventuellen Verschlechterung entgegen zu wirken.