Hintergrund: Zirkumzision zur Prävention von Harnwegsinfekten

Die Beschneidung wird immer wieder als Prophylaxe von frühkindlichen Harnwegsinfekten beschrieben. Nach Ginsberg (1982) sind 95% der männlichen Kleinkinder mit Harnwegsinfekten nicht beschnitten Literatur:Ginsberg, C. M., McCracken, G. H.: "Urinary tract infections in young infants", Pediatrics 69, 409-412, 1982. Wiswel stellte fest, dass mit der nicht mehr routinemäßig durchgeführten Neugeborenen-Zirkumzision in den achtziger Jahren die Anzahl von Infektion bei männlichen Kleinkindern zunahm Literatur:Wiswell, T. E., et al: "Declining frequency of circumcision: Implications for changes in the absolute incidence and male to female sex ratio or urinary tract infections in early infancy", Pediatrics, 79, 338-342, 1987 (s. Infektionen/HWI/Risikofaktor Präputium).
Die Inzidenz kindlicher Harnwegsinfekte sinkt in den ersten Lebensjahren bei Knaben eher als bei Mädchen, was auf einen schnelleren Rückgang der prädisponierenden Faktoren bei Knaben zurückzuführen ist. Die durchschnittliche Häufigkeit kindlicher HWI beträgt 0,43%, davon 1,12% bei nicht zirkumzidierten Knaben, 0,11% bei Zirkumzidierten und 0,57% bei Mädchen. Unabhängig von ihrem Alter haben zirkumzidierte Jungen bis zum 5. Lebensjahr im Vergleich zu nicht Zirkumzidierten ein 5-fach niedrigeres Risiko einer symptomatischen Harnwegsinfektion.

Hintergrund dieser Risikoverringerung ist, dass die Zirkumzision die bakterielle Adhärenz im Periurethralbereich radikal verändert. Während post partum die periurethrale Kolonisation bei Knaben natürlicherweise zunächst ansteigt und dann langsam abfällt, kommt es bei Zirkumzidierten zu einem raschen Abfall der Periurethralkolonisation.
Im Periurethralbereich werden überwiegend P-Fimbrien tragende E. coli isoliert. Diese binden am inneren Präputialblatt und haben eine Promotorfunktion für die Kolonisation des Harntraktes. Ausschließlich P-Fimbrien tragende E. coli sind aber in der Regel nicht auslösend für narbenbildende Pyelonephritiden. Die Adhärenz von E. coli im oberen Harntrakt und die Auslösung einer Immunreaktion des Wirtsorganismus wird über Typ-1-Fimbrien vermittelt. Begünstigend für das Auftreten Typ-1-fimbrientragender E. coli im oberen Harntrakt sind ein VUR oder die Koinzidenz einer P-Fimbrienexpression. Die Zirkumzision ist geeignet, durch Keimreduktion die Auswirkungen anatomischer Risikofaktoren zu verringern., da aber die Inzidenz des Harnwegsinfektes bei Knaben gering ist, würden höchstens 1 - 2% der (routinemäßig) zirkumzidierten Knaben i.S. der Prophylaxe einer Pyelonephritis davon profitieren.