Die Kasuistik erläutert beispielhaft den Sturzmechanismus mit Abriss des Nierenstiels. Hier war der Junge in ein 4m tiefes Loch gefallen (Abbildung HG1).
Ein 11-jähriger Internatsschüler stürzte bei einer Nachtwanderung in ein vier Meter tiefes Loch und wurde daraufhin in die nächstgelegene Klinik gebracht. Hier fand sich ein Druckschmerz über der achten bis zwölften Rippe links. Andere wesentliche klinisch pathologische Untersuchungsbefunde ergaben sich zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme nicht.
Im weiteren Verlauf entwickelte sich eine Leukozytose von 20.000, der Hämoglobingehalt war mit 12,9 g/dl unauffällig. Es lag keine Störung in der Gerinnungskaskade vor. Eine Mikrohämaturie bestand nicht. Am Unfalltag war eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt worden, die keinen pathologischen Befund an Leber oder Milz ergab. Die Sonographie der Nieren zeigte keinen Anhalt für eine Verletzung. Eine perirenale Flüssigkeitsansammlung oder eine Hämatombildung bestanden nicht.
Zwei Tage später wurde der Junge gegen ausdrücklichen ärztlichen Rat aus der stationären Behandlung entlassen. Die Laborwerte wie Leukozyten und Hb hatten sich nur geringgradig verändert (12.300 bzw. 11,7 g/dl). Zwei Tage danach wurde der Junge vom Hausarzt wegen einer Temperaturerhöhung und eines massiven Druck- und Klopfschmerzes im Bereich der linken unteren Thoraxapertur, ausstrahlend zur linken Flanke und dem linken Oberbauch untersucht. Es erfolgte daraufhin die Einweisung in ein Krankenhaus am Wohnort des Jungen. Hier fanden sich keine Prellmarken, die Temperatur betrug 38,3°C. Es bestand eine Leukozytose von 25.000, der Hb-Gehalt lag bei 13,7 g/dl, Kreatinin 1,6 mg/dl. Eine Mikrohämaturie war nicht nachweisbar. Die sonographischen Untersuchungen der Abdominalorgane ergaben einen Flüssigkeitssaum perivesikal sowie einen unscharf begrenzten oberen Nierenpol auf der linken Seite, mit unregelmäßiger Kontur. Die digitale Substraktionsangiographie der Nierenarterien zeigte einen Abbruch des Nierenstiels links nach 2 cm. Eine nachweisbare Funktion der linken Niere bestand nicht. Die computertomographische Untersuchung des Abdomens ergab eine fragliche Restdurchblutung der linken Niere. Die rechte Niere war unauffällig.
Es erfolgte die Verlegung in eine Universitätsklinik. Im Aufnahmelabor fand sich eine Leukozytose von 23.000. Die Körpertemperatur lag bei 39°C. Mit Rücksicht auf die seit über 48 Stunden bestehende Ischämie der linken Niere wurde eine operative Sanierung mit dem Ziel der Rekonstruktion der Arteria renalis als nicht erfolgversprechend eingeschätzt, noch dazu eine farbdopplersonographische Untersuchung des Abdomens eine fehlende Perfusion der linken Niere zeigte. Ein Nierenfunktionsszintigramm ergab eine stumme Niere links. Der Kreatininwert lag jetzt bei 1,9 mg/dl. Die Niere wurde entfernt (Abbildung HG2).
Die kausalen Zusammenhänge des Unfalls mit dem unglücklichen Nierenverlust wurden Gegenstand eines Haftpflichtprozesses Literatur:Bichler, K.-H.: "Das urologische Gutachten", Springer Berlin, 2004.